"Ich liege und schlafe ganz mit Frieden, denn allein Du , Herr, hilfst mir, dass ich sicher wohne."

Aus der Liturgie der Komplet,
Neuendettelsauer Psalter
(Psalm 4, 9)

Die Komplet – das Nachtgebet

Unser Gründer Wilhelm Löhe führte die Tageszeitengottesdienste in Neuendettelsau ein, und sein Nachfolger Friedrich Meyer gestaltete sie liturgisch und musikalisch aus. Durch die Tageszeitengottesdienste stehen die Neuendettelsauer Diakonissen und Sankt Laurentius-Gemeinde in der monastischen Tradition, die sie mit der römisch-katholischen, orthodoxen und anglikanischen Kirche und mit vielen evangelischen Kommunitäten verbindet.
Von Löhes Erneuerung der Liturgie aus haben die Neuendettelsauer Tageszeitengottesdienste ihren Weg in viele evangelische Gesangbücher weltweit gefunden.

Die Komplet schließt den Tag ab. Bei Benedikt von Nursia ist sie der Tageszeitengottesdienst mit den wenigsten Variablen: Die Mönche waren Abends müde – und wenn sie alles auswendig beteten, konnte man im Kloster zudem Kerzenlicht sparen.

Der zentrale Satz in der Bereitung, der zugleich eine Kernbitte des ganzen Gottesdienstes ist, lautet: „Eine ruhige Nacht und ein seliges Ende verleihe uns der Herr, der Allmächtige.“
Es folgt eine gesungene kurze Schriftlesung aus dem 1. Petrusbrief mit der Mahnung zur Wachsamkeit.
Im darauf folgenden Confiteor (Sündenbekenntnis) zeigt sich am deutlichsten, dass die Tageszeitengottesdienste von ihrem Ursprung her bruderschaftliche Gebete sind: Der Liturg – in den Klöstern ist das der Klostervorsteher – und die Gemeinde bekennen sich gegenseitig ihre Schuld und bitten gegenseitig um Fürbitte bei Gott. Nichts soll zwischen den Brüdern, zwischen den Gemeindegliedern und ihrer Leitung, oder zwischen den Gemeindegliedern und Gott stehen, bevor man zur Nacht auseinander geht.
Nun bittet die Gemeinde um Gottes Gnade und Gehör und betet sodann im Wechsel einen Psalm, ein altes jüdisches Gebet. In Neuendettelsau ist dies in der Komplet Psalm 4, Psalm 91 oder Psalm 134. (Bei Benedikt, dessen Brüder jede Woche den ganzen Psalter mit seinen 150 Psalmen beten, sind es stets alle drei genannten Psalmen.)
Ein Abendlied schließt sich an.
Die zweite, ebenfalls gesungene, Schriftlesung ist der vertrauensvolle Satz aus Jeremia 14, 9: „Du bist ja doch unter uns, Herr, und wir heißen nach deinem Namen: verlass uns nicht!“
Im Responsorium (= Antwort) befehlen die Gemeindeglieder ihre Seele in Gottes Hände.
Es folgt als neutestamentlicher Lobgesang das „Nunc Dimittis“, das Loblied, das der greise Simeon anstimmte, nachdem er im Jesuskind den Heiland Gottes erkannt hatte.
Den Gebetsteil eröffnen das Vaterunser und die Fürbitten, die die Welt, die Kirche und die Diakonie umfassen und einem Fürbittplan durch die Woche folgen. Nach einem Raum der Gebetsstille für eigene Anliegen bitten wir um Gottes Schutz für die Nacht und werden unter Seinen Segen gestellt.

Wir erleben: Das liturgische Gebet gibt der Seele Raum zum Durchatmen und weitet die Seele. Gerade die Wiederholungen, die sich durch das regelmäßige Beten der Teile der Komplet ergeben, haben eine in der Tiefe heilende Kraft für die Seele. Mit ein wenig Übung ist es möglich, sich in das liturgische Beten hinein fallen zu lassen und zugleich hellwach zu beten.