Die Rektoren

Gemäß Löhes Anliegen liegt die Leitung der Diakonissenanstalt stets in den Händen eines lutherischen Geistlichen.

Die Rektoren und ihre Amtszeiten:

1. Wilhelm Löhe (1854 – 1872)

Wilhelm Löhe

Gründer, Leiter 1854 – 1872

geb. 21.02.1808 Fürth/Bayern – gest. 02.01.1872 Neuendettelsau

Der Kaufmannssohn wächst mit mehreren älteren Schwestern und einem kleinen Bruder in Fürth auf. Mit acht Jahren verliert er den Vater. Nach dem Schulbesuch in Fürth und Nürnberg studiert der begabte junge Mann Theologie in Erlangen und ein Semester in Berlin. Nach seinem sehr guten Examen stehen ihm zunächst alle Türen offen. Doch schließt er sich nicht dem allgemein herrschenden Rationalismus an, für den alles verstandesmäßig erklärbar sein muss und der sich deshalb mit einem intellektuellen Glauben und einem Leben nach ethischen Normen begnügt. Löhe lebt und predigt einen biblisch begründeten, persönlichen Glauben, der sich im alltäglichen Handeln auswirkt. Er stellt das Evangelium höher als gesellschaftliche Konventionen und nennt Sünde auch bei Honoratioren beim Namen. Er vertritt ein Luthertum, das klar von den unierten Kirchen (auch in „Bayern links des Rheins“, der bayerischen Pfalz) getrennt sein soll. Mit dieser Haltung macht er sich viele Feinde und gerät im Lauf seines Berufsleben auch mehrmals in scharfen Konflikt mit seiner Kirchenleitung – bis hin zu einer zeitweiligen Suspendierung vom Dienst 1860. So durchläuft Löhe zwölf verschiedene Vikarsstellen, ehe er nach Neuendettelsau berufen wird. Löhe würde lieber in einer großen Stadt predigen und wissenschaftlich arbeiten als in diesem armen, schmutzigen Bauern- und Tagelöhnerdorf zu wirken. Doch nimmt er den Ruf an und übt sein Amt in großer Treue aus. Er heiratet im Juli 1837 die 18-jährige Kaufmannstochter Helene Andreae aus Frankfurt, die er vier Jahre zuvor unterrichtet und konfirmiert hat, und tritt am 01.08.1837 seinen Dienst an seiner einzigen Pfarrstelle an. Bereits nach sechs Jahren sehr glücklicher Ehe stirbt die Pfarrfrau; das jüngste ihrer vier Kinder folgt ihr wenige Monate später in den Tod. Löhe heiratet nicht wieder; den Tod seiner Helene hat er nie ganz verwunden. Helenes „Einfalt“, ihr schlichtes, gerades, heiteres, offenes Wesen und ihre fromme Gesinnung werden zu seinem Idealbild der Frau schlechthin, das er später auch in den Diakonissen entwickeln möchte. Löhe bewältigt eine ungeheure Arbeitslast: Neben der Gemeinde mit ihren drei Filialkirchen und den unter „Gründung“ oben genannten Arbeitsbereichen hat er einen regen Schriftverkehr und übt eine umfassende schriftstellerische Tätigkeit aus, über deren Einnahmen er manche seiner Unternehmungen finanziert.

Grabinschrift Löhes an der Familiengruft auf dem Dorffriedhof Neuendettelsau: „Ich glaube die Gemeinschaft der Heiligen, Vergebung der Sünden, Auferstehung des Fleisches und ein ewiges Leben“.

2. Friedrich Meyer (1872 – 1891)

Friedrich Meyer

Zweiter Rektor, 1872 – 1891

geb. 17.03.1832 Darmstadt – gest. 05.06.1891 Neuendettelsau

Nach langer Suche einigt sich die Muttergesellschaft (heute Kuratorium) für die Nachfolge Löhes auf einen Hessen – die lutherische Haltung wird über die Zugehörigkeit zur bayerischen Landeskirche gestellt. Am 24.10.1872 tritt Friedrich Meyer sein neues Amt an. Bei der schnell wachsenden Schwesternzahl wird sein Schwerpunkt die Weiterentwicklung des Diakonissenbildes. Sein Unterricht zum Thema „Von den Diakonissen und ihrem Beruf“ wird in den kommenden Jahrzehnten in vielen Auflagen gedruckt. In ihm legt Meyer den Probediakonissen dar, wie erst aus der inneren Haltung heraus das rechte Dienen im Arbeitsfeld erfolgen kann. Vor ihrer Einsegnung erhalten die Schwestern nun in einer acht- bis zehntägigen Rüstzeit einen „Einsegnungsunterricht“ durch den Rektor, in dem ihnen das Wesentliche ihres Diakonissenlebens noch einmal vor Augen gestellt wird. Durch Schwesterntage sorgt Meyer dafür, dass auch die auswärts tätigen Diakonissen immer wieder ins Mutterhaus zurück kommen und, dass ihr Kontakt untereinander gestärkt wird. Meyer legt ein großes Augenmerk auf die Ausgestaltung aller Gottesdienste. Er ist sehr musikalisch und führt ein, dass die liturgischen Tageszeitengottesdienste viele gesungene Elemente enthalten. Die Tradition der gesungenen Psalmen wird bis heute fortgesetzt.

Während der Amtszeit Friedrich Meyers wächst die Anzahl der eingesegneten Schwestern auf mehr als das Doppelte, und auch die Arbeitsgebiete nehmen zu.
1877 wird das erste „Feierabendhaus“ für alt gewordene Diakonissen fertig gestellt.
1887 wird die Laurentiuskirche eingeweiht: der Betsaal von 1858 (heute Paramentik) ist zu klein geworden.

Hat Wilhelm Löhe durch seine Lehre und Veröffentlichungen weit in die Kirche hinein gewirkt, zu der er stets in Spannung stand, so konzentriert Meyer die Kräfte nun nach innen: Er vermeidet die Auseinandersetzungen mit der Landeskirche, sucht aber auch wenig Kontakt zu ihr. So haben die Neuendettelsauer Diakonissenstationen in seiner Zeit eher den Charakter von Inseln.

Grabinschrift Meyers auf dem Anstaltsfriedhof: „Das Jerusalem, das droben ist, das ist die Freie; die ist unser aller Meister“ (Gal. 4, 26)

3. Hermann Bezzel (1891 – 1909)

Hermann Bezzel

Dritter Rektor, 1891 – 1909

geb. 18.05.1861 Wald bei Gunzenhausen – 06.08.1917 München

Bezzel entstammt einer Familie, die über viele Generationen hinweg Pfarrer hervorbringt. Er studiert Theologie und Philologie und wirkt dann in Regensburg am Alumneum als Inspektor und zugleich als Gymnasiallehrer. Anders als Friedrich Meyer versteht sich Bezzel bewusst als Glied der Landeskirche und baut so die Beziehungen zwischen der Diakonissenanstalt und der Landeskirche aus. Als Rektor der Diakonissenanstalt verantwortet er eine Zeit großer Expansion. Um nur einige wenige Beispiele zu nennen: Er schließt die Übernahmeverträge für das Schloss in Bruckberg (Erweiterung der Behindertenarbeit) und das Kloster und Schloss in Himmelkron bei Bayreuth (Industrieschule und Behindertenarbeit), die sein Vorgänger vorbereitet hatte, und er baut in Neuendettelsau ein Schulhaus, das das Mutterhaus an Größe und Pracht weit übertrifft: Die Bildung der Jugend ist ihm ein zentrales Anliegen. Seit Löhes Tagen besteht neben der Diakonissenschwesternschaft eine kleine Brüderschaft. Bezzel richtet 1893 eine Brüderschule ein, um auch die Männer für ihren Auftrag recht zuzurüsten und auszubilden. 1900 baut er ihnen ein Brüderhaus. Bezzels Theologie ist geprägt vom Gedanken der Kondeszendenz: Gott lässt sich unbegreiflicher Weise aus Seiner Höhe in unsere menschlichen Tiefen herab. Weil Christus an uns Knechtsdienst leistet, sind wir gerufen, Ihm zu dienen. Weil ich Gottes Liebe erfahren habe, antworte ich Ihm mit meinem Leben darauf. Der Ernst seines Glaubens zeigt sich in Bezzels äußerst hohem Arbeitsethos, den er sich und auch den Diakonissen abfordert. Hermann Bezzel ist die Charakterbildung, die Ausbildung von christlichen Persönlichkeiten aus dem innersten Glaubensleben heraus, sehr wichtig. In der Begleitung der Menschen verbindet er ein tiefes seelsorgerliches Verständnis und eine einfühlsame Ernsthaftigkeit mit einer gewissen Distanz. Letztere mag ihm persönlich auch ein Schutz gewesen sein: Ist er doch bisher der einzige Rektor dieser großen Frauenschar, der zeitlebens unverheiratet blieb. Wie unter Bezzels Vorgänger wächst die Schwesternschaft in den 18 Jahren seiner Amtszeit auf mehr als das Doppelte: Als Bezzel 1909 als Oberkonsistorialpräsident (heute würde man sagen: Landesbischof) nach München berufen wird, zählt die Gemeinschaft 709 eingesegnete Diakonissen. In München hält Bezzel weiter engen Kontakt mit den Neuendettelsauer Diakonissen, die ihn auch in den letzen, schweren Krankheitsmonaten seines Lebens begleiten.

Grabinschrift von Bezzels Grab in Wald bei Gunzenhausen „ Erbarme dich meiner, o Jesu“. In den Sockel ist gemeißelt: „Wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, von deß Leibe werden Ströme des lebendigen Wassers fließen“.

4. Wilhelm Eichhorn (1909 – 1918)

Wilhelm Eichhorn

Vierter Rektor, 1909 – 1918

geb. 30.10.1846 Bofsheim/Baden – gest. 16.01.1923 Neuendettelsau

„Auf einen Bezzel darf kein Bezzel folgen“, meint Bezzel zur Frage, wer nach ihm das Amt des Rektors bekleiden solle. Wilhelm Eichhorn Vater ist Pfarrer. Als Lutheraner weigert er sich, den Übergang in die per Gesetz verfügte Unierte Kirche Badens mit zu vollziehen. Deshalb wird Karl Eichhorn insgesamt neun Mal inhaftiert – Erfahrungen, die seine Familie prägen. So wird Wilhelm Eichhorn nach seinem Studium in Erlangen und Leipzig Pfarrer der Lutherischen Kirche in Bayern. Als Student erlebt er einen Weihnachtsgottesdienst mit Wilhelm Löhe in Neuendettelsau. Auch diese Erfahrung geht ein Leben lang mit ihm mit, und er steht Löhes Werk in vielerlei Hinsicht sehr nahe. Als Pfarrer bevorzugt Wilhelm Eichhorn Landgemeinden. Als Neuendettelsau ihn 1909 zum Rektor der Diakonissenanstalt berufen möchte, meint er, er sei dafür zu alt und fange schon an, vergesslich zu werden. Doch schließlich lässt er sich aus Pflichtbewusstsein rufen und wird am 05.09.1909 in sein Amt eingeführt. Der Schatten seines großen Vorgängers erschwert ihm die Arbeit. Doch hat Eichhorn gute Führungsqualitäten und kann das Schiff mit ruhiger Hand steuern. Er erweitert die Anstalt und vertieft inhaltlich, was seine Vorgänger angestoßen haben. Auf die Zeit der Expansion folgt wieder eine Phase der Konsolidierung. Bis in den Ersten Weltkrieg hinein setzt Wilhelm Eichhorn die Bautätigkeiten fort. Bei Kriegsbeginn werden bald die Diakone an die Front gerufen. Obwohl sie bei der Arbeit zuhause fehlen, entsendet Eichhorn zudem insgesamt 94 Diakonissen in die Lazarette an der Westfront, und zahllose weitere Schwestern pflegen verwundete Soldaten in den eigenen Häusern. Eichhorn bleibt mit den kämpfenden Brüdern und den pflegenden Schwestern an der Front in Briefkontakt. Ein besonderes Anliegen ist ihm, dass diese Menschen durch ihr Erleben in den Schützengräben und Lazaretten nicht verrohen. 1916 unternimmt er mit 70 Jahren noch eine beschwerliche Reise an die Front, um die ihm Anvertrauten zu stärken. Ein Kriegstagebuch aus seiner Hand verzeichnet all die Einsätze Neuendettelsauer Schwestern in jenen Jahren.

Aus gesundheitlichen Gründen legt Wilhelm Eichhorn sein Amt als Rektor im Alter von 72 Jahren nieder.Trotz körperlicher Mühsal nimmt er auch in den Jahren seines Ruhestandes regen inneren Anteil am Ergehen der Diakonissenanstalt.

5. Hans Lauerer (1918 – 1951)

Hans Lauerer

Fünfter Rektor, 1918 – 1951

geb. 25.05.1884 Regensburg – gest. 20.01.1951 Nürnberg

6. Hermann Dietzfelbinger (1951 – 1955)

Hermann Dietzfelbinger

Sechster Rektor, 1953 – 1955

geb. 14.07.1908 Ermershausen – gest. 15.11.1984 München

7. Theodor Schober (1955 – 1963)

Theodor Schober

Siebenter Rektor, 1955 – 1963

geb. 10.08.1918 Zirndorf – gest. 26.07.2010 Loßburg

 

8. Johannes Meister (1963 – 1975)

Johannes Meister

Achter Rektor, 1963 – 1975

geb. 28.12.1926 Nürnberg - gest. 28.11.2014 Neuendettelsau

 

9. Heinz Miederer (1975 – 1990)

Heinz Miederer

Neunter Rektor, 1975 – 1990

geb. 16.05.1928 Zeilitzheim – gest. 05.11.1990 Neuendettelsau

 

10. Hermann Schoenauer (1990 - 2015)

Hermann Schoenauer

Zehnter Rektor, 1990 - 2015

geb. 22.05.1950 Fürth

 

11. Dr. Mathias Hartmann (seit 2015)

Dr. Mathias Hartmann

Elfter Rektor, seit 2015

geb. 17.06.1966 Frankfurt/Main