Interview mit Schwester Monika Sommer

Online-Redaktion: Wie lange sind Sie schon Diakonisse in Neuendettelsau?

Schwester Monika: Schon seit 1983, ich war damals 19 Jahre alt.

Online-Redaktion: Was hat Sie bewogen, Diakonisse zu werden?

Schwester Monika: Ich komme aus München und wollte hier die Heilerziehungspflegeschule besuchen. Da ich damals erst 15 Jahre alt war, war ich dafür aber noch zu jung und absolvierte dann erstmal die hauswirtschaftliche Ausbildung in der Diakonie. Dabei lernte ich die Schwesternschaft kennen und fühlte mich in dieser Gemeinschaft immer wohler. So entschloss ich mich, hier zu bleiben. Im Anschluss machte ich die Erzieherinnenausbildung. Inzwischen bin ich Ergotherapeutin.

Online-Redaktion: Und Diakonisse!

Schwester Monika: Ja und Diakonisse und das gerne.

Online-Redaktion: Sind Sie eine der Diakonissen, die „den Ruf“ gehört haben?

Schwester Monika: Ich erinnere mich an einen Gottesdienst in der Adventszeit. Da hatte ich das erste Mal das Gefühl, dass mein Platz in der Schwesternschaft sein könnte. Dieser Gedanke wurde in der folgenden Zeit immer mächtiger. Jedoch wusste ich es damals noch nicht so genau.

Online-Redaktion: Und wie kam es dann dazu, dass Sie tatsächlich Diakonisse wurden?

Schwester Monika: Eines Tages sagte ich mir, dass ich das nun einfach mache und wenn es nicht mein Weg ist, werde ich es sicher auch spüren. Man tritt ja nicht gleich bei, sondern hat erstmal so eine Art Bedenkzeit in der man mit den Diakonissen lebt, aber noch ausloten kann, was man wirklich will und auch die Diakonissengemeinschaft überprüft, ob sie diesen Schritt für richtig hält.

Online-Redaktion: Dann haben Sie festgestellt, dass dies Ihr Weg ist?

Schwester Monika: Ja

Online-Redaktion: Was war in Ihrer Laufbahn als Diakonisse ein einschneidendes Erlebnis?

Schwester Monika: Meine Besuche in Indien. In Pattamangalam nahe Mayilaiduthurai hat Diakonisse Hiltrud Fichte den Grundstein für eine Kindertagestätte gelegt. Dort kümmert man sich um Kinder der ärmsten Familien des Dorfes. Ich fuhr 1993 mit Schwester Hiltrud und der damaligen Oberin Irmtraud Schrenk und 2008 mit einigen anderen Neuendettelsauer Schwestern nach Indien um Spendengelder, die gesammelt wurden, zu überbringen.

Online-Redaktion: Was war daran so einschneidend?

Schwester Monika: Zu erleben, wie wichtig unser Engagement dort ist. Leute kennen zu lernen, die nur während der Erntezeit eine gesicherte Arbeitsstelle haben und die nicht in der Lage sind ihre Kinder ausreichend mit Nahrung zu versorgen und die mir klar gemacht haben, wie wichtig der Kindergarten dort ist, damit sich die Kinder in den ersten Lebensjahren körperlich und geistig normal entwickeln können. Und dass das Engagement in Indien nicht aufhören kann, selbst wenn es in Deutschland viel zu tun gibt. Die Herzlichkeit mit der wir empfangen wurden, werde ich auch nicht vergessen.

Online-Redaktion: Wie hat sich diese Herzlichkeit ausgedrückt?

Schwester Monika: Es war die Art und Weise wie wir umsorgt wurden. Dies zeigte sich in liebevoller Bewirtung und Achtsamkeit. Achtsamkeit dafür, dass wir Europäer sind und die dortige Kultur nicht ohne weiteres verstehen und Fürsorge, damit wir uns nicht in Gefahr begeben. Aber auch das gemeinsame Lachen. Und jedes Jahr bekommen die Kinder der Kindertagesstätte ein neues Kleidungsstück von uns geschenkt. Ich kann mich noch daran erinnern, wie wir dort die neue Schuluniform vorgeführt bekamen! Unglücklicher Weise hatten wir unter anderem als Geschenke auch Schokolade dabei, die nicht lang hart blieb, da die Temperaturen in Indien sehr hoch sind und die vorhandene Luftfeuchtigkeit ihr übriges tat… die Schuluniformen hatten dann auch ganz schnell keine makellose Reinheit mehr aufzuweisen.

Online-Redaktion: Wie viele Kinder sind in diesem Kindergarten?

Schwester Monika: 30, aus den ärmsten Familien. Unabhängig davon, ob es sich um Christen, Hindus oder Moslems handelt. Das gute Miteinander der Religionen ist ein wichtiges Erziehungsziel im Kindergarten, aber auch in dem Schülerinnenwohnheim, in dem wir untergebracht waren. Es ist notwendig, sich gegenseitig kennen zu lernen  und sich miteinander zu verständigen.

Online-Redaktion: Wie haben Sie sich denn in Indien verständigt?

Schwester Monika: Mit Englisch und intuitivem Verstehen, was mit den Kinder sehr gut klappte. Ich habe dort Freunde gefunden und es ist schön zu sehen, dass das Geld, das wir alljährlich für Indien hier in Neuendettelsau sammeln auch dort ankommt, wo es gebraucht wird. - Wenn ich heute in Indien anrufe oder eine Mail schreibe, steht mir bei Bedarf Schwester Ruth zur Seite. In Indien selbst sind mir die Worte, die ich nicht verstand einfach so lange umschrieben worden, bis ich sie verstand. Es wurden auch viele Tänze für uns aufgeführt. Musik und darstellendes Spiel haben eine eigene Sprache.

Online-Redaktion: Das ist aber schön, dass eigens für Sie Aufführungen stattfanden.

Schwester Monika: Ja, jedes Mal. Musik spielt in Indien eine große Rolle, Tanz und Bewegungsspiele gehören dort zum täglichen Leben. Bei meinem zweiten Besuch 2008 wurde uns Gästen von den Jugendlichen Breakdance vorgeführt. Mir wurde im Vergleich zu unserem Besuch 1993 bewusst, wie schnell die Globalisierung vor sich geht. Damals wurden uns noch traditionelle Tänze vorgeführt. Mitten in Indien, auf dem Land, in einem Dorf, wirbelten nun vor uns indische Jungendliche in gekonnten Posen über den Boden, was jederzeit auch in New York oder Mannheim hätte sein können.

Online-Redaktion: Die Welt verändert sich.

Schwester Monika: Vor 18 Jahren sahen wir ein Krippenspiel, aufgeführt von den indischen Kindergartenkindern. Hindus, Moslems und Christen spielen dort jedes Jahr die Weihnachtsgeschichte.

Online-Redaktion: Das ist ja toll, Kinder hinduistischen und muslimischen Glaubens spielen zusammen mit den christlichen Kindern ein Krippenspiel.

Schwester Monika: Bei meinem zweiten Besuch erlebte ich am Nationalfeiertag, dass die Schulkinder des Kinderheimes ein Stück aufführten, in dem klar zum Ausdruck kam, wie wichtig es ist, dass Menschen mit verschiedenen Religionen friedlich miteinander leben und einander in aller Verschiedenartigkeit akzeptieren.

Online-Redaktion: Wenn Sie die Augen schließen und an Indien denken, was sehen Sie neben den neu gewonnenen Freunden?

Schwester Monika: Eine wunderschöne Natur, Reisfelder und Palmen. Frisch für uns geerntete Kokosnüsse, aus denen wir mit Strohhalmen Kokosmilch tranken und auch der chaotische Straßenverkehr. Kühe, Fahrräder, Autos, alles durcheinander. Im ersten Moment fragt man sich, ob dort Rechts- oder Linksverkehr herrscht, da auf einer zweispurigen Straße vierspurig gefahren wird

Online-Redaktion: Und Sie haben das alles überlebt.

Schwester Monika: Ja und ich würde jederzeit wieder hingehen.

Ich finde es gut, weltweit miteinander verbunden zu sein. Ich denke, dass es sehr wichtig ist, dass wir uns über unseren Lebensstil und seine Auswirkungen Gedanken machen. Doch es macht keinen Sinn darüber zu kapitulieren, sondern wenn jeder versucht in seinem Umfeld die Welt ein klein wenig zu ändern, können wir viel erreichen. In Gemeinschaft kann man mehr erreichen und auch deshalb bin ich gerne in der Diakonissengemeinschaft. Gemeinsam glauben, miteinander leben und tätig sein. Für meine älteren, pflegebedürftigen Schwestern, kann dieses tätig sein auch heißen, die Aktivitäten im Gebet zu unterstützen.

Online-Redaktion: Schwester Monika, vielen Dank für dieses interessante Interview.